SINN
SUCHEN – FINDEN – LEBEN
Liebe Trialog-Freunde,
in Zeiten wie diesen fragen wir uns: „Welchen Sinn soll das machen?“ Wir laden ein, dieser Frage nachzugehen – sowohl zusammen wie einzeln für sich. Es gibt nicht die Antwort darauf, doch einen gemeinsamen Prozess: suche, finde und lebe deinen ganz persönlichen Sinn, in dem was dich umgibt.
Impulse zum Umgang mit der Frage nach dem Sinn
(…) „Die Sinnfrage ist nicht notwendig an die bewusste Reflexion gebunden. Zum größten Teil geschieht sinnvolles Leben aus dem spontanen Empfinden, dass das, was man gerade tut, „insgesamt ganz gut und richtig“ ist. Die meisten Menschen stellen sich die Sinnfrage aufgrund dieses intuitiven Gespürs daher selten bis nie bewusst. Die meiste Zeit unbewusst bricht sie erst an Bruchlinien der Biographie oder anhand von Problemen und Verlusten ins Bewusstsein herein. Dennoch ist praktisch allen Menschen (96 %) die Sinnfrage bekannt bzw. haben sie sich diese öfters gestellt (…).
(…)
Der Inhalt der Sinnfrage – stets ein Wert
(…) was ist die „Substanz“ der Sinnfrage, die in ihrer Ganzheitlichkeit von Herkunft, Ankunft und Hinkunft erfasst werden soll? Die inhaltliche Bestimmung erhält die Sinnfrage durch den jeweiligen Wert, um den es in ihr geht. Die Beschäftigung mit dem Eigen-Wert und seiner Verwobenheit mit der Welt und mit einem selbst ist die bestimmende Suche in der Sinnfrage: „Weshalb, wozu, warum?“ heißt übersetzt: „aus welchem guten Grund ist das so?“ Anders gesagt bedeutet nach Sinn fragen: „Wozu ist das gut? – Für was soll das gut sein, wenn ich das tue, erleide, lasse?“
Wer nach Sinn fragt, fragt also einerseits formal nach einer Dynamik: eben nach dem Zusammenhang, durch den etwas seinen Wert erhält, und nach der Richtung, auf die etwas hinausläuft und einer Sache vielleicht erst einen Wert verleihen wird. Mit der Sinnfrage ist andererseits aber stets auch ein Inhalt verbunden, ein Suchen nach einem Wert, nach dem, „was gut ist“ und ob eine gute Wechselwirkung mit der Umgebung gegeben ist. – Was schlecht ist, wird daher zwangsläufig als sinnlos erlebt. Umgekehrt gilt der Satz genauso: Sinnloses erleben wir als schlecht. Vergeblich um eine Kinokarte angestanden zu sein, sich wiederum ängstlich wie immer zurückgezogen zu haben u.Ä. empfinden wir als schlecht, weil es „keinen Sinn hat“. Das Sinnlosigkeitserleben gilt so lange wir etwas als schlecht erleben, was aber nicht ausschließt, dass aus ihm noch etwas Gutes werden oder gemacht werden kann, oder dass es für andere sinnvoll ist.
Allgemein gesagt: Das Sinnlose ist für uns wertlos, das Wertlose sinnlos. Denn etwas Sinnvolles hat stets etwas Kostbares zum Inhalt, etwas, das uns berührt, das uns nahe geht und mit dem wir uns verbunden fühlen, weil wir seinen Wert empfinden können (vgl. die Wertelehre der Existenzanalyse in Längle 1993, 2003). – Es versteht sich von selbst, dass dann, wenn das Wertfühlen blockiert ist wie in der Depression auch das Sinnerleben verloren geht.
Für die Sinnhaftigkeit unserer Handlung ist es letztlich nicht so wichtig, ob wir das Ziel auch erreichen und die Sache zu Ende bringen. Entscheidend für die Sinnhaftigkeit ist, ob wir den Wert erfasst haben und der Kurs, den wir einschlagen, stimmt. Das sind die notwendigen Bedingungen für Sinn. Nicht der Zweck und letztlich nicht einmal der Erfolg ist für die Sinnhaftigkeit unserer Tätigkeit entscheidend. Der Wert, den etwas aus sich heraus und aus der Wechselwirkung mit der Umgebung hat, soll erfasst und in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Unser Leben bzw. der Wert dieser Stunde, dieser Tätigkeit, dieses Genießens usw. soll in ein größeres Ganzes eingeordnet werden, auch wenn es nicht ausgeschöpft oder zu Ende gebracht wird. Denn den Verlauf des Lebens können wir nicht soweit „unter Kontrolle bringen“, dass wir das Ergebnis bestimmen könnten.“ (…)
Alfried Längle: Das Sinnkonzept V. Frankls – ein Beitrag für die gesamte Psychotherapie. Aus: Petzold H G, Orth I (Hrsg) Sinn, Sinnerfahrung, Lebenssinn in Psychologie und Psychotherapie. Bd. II. Bielefeld/Locarno: Aisthesis, pp. 403-460
Stand 14.05.2021: https://www.laengle.info/downloads/Sinn%20-%20Petzold%202004.pdf
Zitate von Viktor Frankl (1905-1997), österreichischer Neurologe
„Leben besteht aus einer Vielzahl von Einflüssen. Zum Leben gehört das Schicksal, gehört auch die Möglichkeit des Scheiterns. Leben, jede Situation, kann immer anders verlaufen als geplant. Daher stellt auch Sinn keine Erfolgsgarantie dar.“
„Wir haben jeden Tag und in jedem Augenblick die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen. Diese bestimmen, ob wir dabei als Marionetten des Schicksals funktionieren oder mit wahrer Würde handeln und unserem wahren Ich gerecht werden. Denken wir darüber nach und lassen wir uns mit Mut und Entschlossenheit an unserer persönlichen Freiheit arbeiten.“
„Alles kann man einem Menschen nehmen, außer seine letzte Freiheit: seine persönliche Haltung in jeder Situation selbst zu wählen.“
Mit diesen Impulsen wollen wir uns im Jahr 2021 auf den Weg machen, Sinn zu suchen, zu finden und zu leben.
Bärbel Jung mit Team BTK e.V. Kassel im Lockdown Mai 2021